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Das Dramadreieck kann dir helfen, Interaktionen in Beziehungen und deine Rolle darin besser zu verstehen. Oft führen Beziehungsdynamiken zu viel Leid, weil es schwerfällt, aus den Rollen und damit auch aus dem Drama wieder herauszufinden. Besonders komplex wird es, wenn es stumme Zeugen gibt.

Wahrscheinlich hast du es selbst schon einmal erlebt. Vielleicht fragst du dich manchmal, warum du mit bestimmten Menschen immer wieder in dieselben Verhaltensweisen fällst. Oder du hast das Gefühl, das Leben hat dir für bestimmte Momente eine bestimmte Rolle beschert.

Nicht nur in nahen Beziehungen, sondern auch in Alltagssituationen kann sich das Dramadreieck mit seiner Beziehungsdynamik zeigen.

Ein Beispiel aus dem Berufsleben: Kollege X erledigt seine Arbeit häufig so langsam, dass seine Kollegin Y das lieber gleich für ihn übernimmt. Später beschwert sie sich dann genervt bei dem Kollegen Z über X – und auch darüber, wie viel sie zu tun hat. Andere Kollegen bekommen das mit, doch niemand spricht das Thema offen an. Der Elefant steht im Raum.

Wie entwickelt sich die Drama-Dynamik? Welche Rolle spielen unsere frühen Prägungen dabei? Was haben die stummen Zeugen damit zu tun? Und wie ist es möglich, den Weg aus dieser Dynamik zu finden? Diesen Fragen gehe ich in diesem Artikel nach.

Was ist das Dramadreieck?

Das Dramadreieck wurde im Jahre 1968 von dem amerikanischen Psychiater Stephen Karpman entwickelt. Das Modell stammt aus der Transaktionsanalyse, die sich mit Persönlichkeitsstrukturen und deren Interaktionen beschäftigt. Es soll helfen, Beziehungsdynamiken und die eigene Rolle darin zu reflektieren. So kann es leichter werden, die jeweilige Situation zu verbessern und aus dem Rollenverhalten auszusteigen.

In dieser Dynamik kann eine Person unterschiedliche Rollen einnehmen und ist nicht grundsätzlich Täter (Verfolger), Opfer oder Retter. Die Rollen können also wechseln.

Wann entsteht ein Dramadreieck?

Grundsätzlich kann ein Dramadreieck immer dann entstehen, wenn Menschen eine Situation durch die Brille ihrer Projektionen wahrnehmen und nicht aus dem Zustand ihres inneren Beobachters heraus. 

Das kann geschehen, wenn Menschen emotional getriggert sind oder unbewusst und automatisch mit ihrer früh gelernten Prägung – ihrer gewohnten Rolle – auf einen anderen Menschen reagieren.

Das passiert recht häufig, da wir die meiste Zeit des Tages in Projektionen unterwegs sind. Wir alle betrachten die Welt (und auch den gegenwärtigen Moment) meistens durch die Brille unserer alten Bindungs- und Verhaltensmuster, unserer Erfahrungen und Befürchtungen. 

Unsere Ängste oder Wünsche projizieren wir dann auf unser Gegenüber. Und das beginnt, sobald wir jemanden kennenlernen und prägt sich im Laufe der Zeit weiter aus.

Der Einstieg in die Dynamik

Ein Beispiel, wie eine Beziehungsdynamik beginnen kann: Zwei Menschen lernen sich kennen. Eine Person ist vielleicht durch die aktuelle Lebenssituation oder eine schwierige Biografie verletzlicher. Die andere Person steht gerade mehr in der Kraft oder ist von hilfsbereiter und unterstützender Natur.

Beide erleben diese Konstellation in dem Moment sehr positiv. Die erste Person freut sich über die Hilfsbereitschaft und Zuwendung. Die zweite Person fühlt sich kompetent und bestätigt durch ihr Handeln. 

So werden in einer Begegnung – manchmal sofort, manchmal im Laufe der Zeit – bestimmte Rollen eingenommen. Diese können sich im Laufe der Zeit ändern. Dazu später mehr.

Das Dramadreieck in der Therapie

Die Dynamiken und Projektionen können sich auch als Übertragungsphänomene in der Therapie zeigen. Daher sind für einen sicheren und klaren therapeutischen Rahmen die sorgfältige Beobachtung und Selbstreflexion der Therapeutin enorm wichtig. 

Mehr zum Thema Projektion in der Therapie erfährst du in meinem Blogartikel über Selbstfürsorge in Heilberufen.

Rollen bieten Sicherheit

Häufig steigen Menschen also ins Dramadreieck ein, weil sie nach ihrer frühen Prägung handeln. Sie nehmen unbewusst ihre gewohnte Rolle ein. Diese ist ihnen vertraut und gibt somit auch Sicherheit

Ein guter Grund, warum wir oft mit unseren Rollen identifiziert sind, insbesondere, wenn sie aus großer innerer Not entstanden sind. Sie machen einen großen Teil unseres Selbstbildes aus.

In vielen Fällen stellen Menschen Kontakt und Nähe grundsätzlich über ein bestimmtes Muster her wie z. B. über Hilflosigkeit. Oder sie springen hilfsbereit für andere in die Bresche, wie in unserem Beispiel.

Wie ist das bei dir? Was tust du (oder tust du nicht), um mit Menschen in Kontakt zu kommen? Gehst du eher auf andere Menschen zu oder lässt du sie auf dich zukommen? Fragst du eher nach Unterstützung oder bietest du sie an? Und wie fühlst du dich damit?

Nähe als Verstärker für Projektionen

Zu Beginn einer Begegnung empfinden die Beteiligten ihre Dynamik wahrscheinlich positiv. Beide fühlen sich bestätigt. 

Doch leider bringen es Rollen mit sich, dass sie auf die Dauer sehr eng werden. Wenn Menschen ihr Verhaltensrepertoire und ihren Selbstausdruck beschränken, um ihrer Rolle gerecht zu werden, bringt dies früher oder später Unzufriedenheit mit sich.

Besonders in Liebesbeziehungen und engen Freundschaften werden alte Verletzungen, Bindungsmuster und emotionale Flashbacks schneller wachgerufen. Mehr zum Thema emotionale Flashbacks findest du in meinem Blogbeitrag über verkörperte Emotionen.

Wenn sie aktiviert sind, sehen wir unser Gegenüber durch die Brille unserer Emotionen an. Das heißt, wer sich beispielsweise hilflos fühlt, sieht den anderen eher als Retter. Im Helfermodus nehmen wir die andere Person eher als Opfer wahr.

Durch diese Rollenzuschreibung wird die Dynamik des Dramadreiecks wirksam. Sie kann mitunter sehr destruktiv werden, insbesondere wenn Trauma im Spiel ist. Dazu später mehr.

Die Rollen im Dramadreieck

Bei den Rollen im Dramadreieck handelt es sich um Verhaltensweisen in einer bestimmten Beziehungskonstellation. Auf keinen Fall geht es um Eigenschaften von Personen. Die Rollen können innerhalb einer Beziehung wechseln.

Ein Mensch kann in verschiedenen Kontexten unterschiedliche Rollen einnehmen. Manchmal wird die Rolle nur kurz, manchmal über längere Zeit ausgefüllt. Wenn es länger dauert, ist die Identifikation damit meist recht hoch.

Im Dramadreieck werden Täter, Opfer und Retter unterschieden. Die einzelnen Rollen schauen wir uns nun genauer an.

Dramadreieck Grafik

Täter / Verfolger

In der Transaktionsanalyse wird der Täter auch Verfolger genannt. Im therapeutischen Kontext finde ich den Begriff Täter allerdings passender.

Menschen in dieser Rolle sind häufig sehr lösungs- und handlungsorientiert. Durch das Handlungsgefälle werten sie sich selbst auf und die andere Person ab.

Dabei werden sie als streng, selbstbezogen oder rechthaberisch wahrgenommen. Auch Vorwürfe und Kritik sind häufig zu hören. Oder sie fallen ihren Mitmenschen ins Wort.

Sie brauchen viel Kontrolle in der Beziehung und erreichen diese, indem sie andere Menschen herabsetzen. Das kann so weit gehen, dass sie emotionale und/oder körperliche Grenzen verletzen.

Fühlen sie sich unwohl oder werden sie konfrontiert, stellen sie sich selbst nicht in Frage und übernehmen keine Verantwortung für ihr Handeln. Sie suchen die Schuld eher bei den anderen als bei sich selbst, Das stellt ein klassisches Beispiel für die Täter-Opfer-Umkehr dar.

Opfer

Sie fühlen sich ohnmächtig und daher auch nicht handlungsfähig. Damit nehmen sie die Welt als gefährlichen Ort wahr. 

Sie klagen eher, als eine Lösung zu suchen. Damit geben sie die Handlungsmacht und Verantwortung an die anderen Rollen ab und hoffen, auf diese Weise die Täter zu besänftigen oder die Unterstützung der Retter zu bekommen.

Weil sie den Handlungsablauf nicht aktiv mitbestimmen, sondern reagieren, fällt es ihnen schwer, die Verantwortung für ihr Nicht-Handeln zu übernehmen.

Retter

Menschen, die sich gerne in der Retter-Rolle wiederfinden, bekommen gesellschaftlich die meiste Anerkennung. Sie werden als großzügig und hilfsbereit wahrgenommen.

Sie stellen Nähe her, indem sie in einer Beziehung mehr geben als nehmen. Sie stellen aber ein Handlungsgefälle her, wenn sie anderen Menschen die Fähigkeit absprechen, selbst zu denken und zu entscheiden. Damit werten sie ihr Gegenüber ab.

Häufig beziehen sie große Bestätigung dadurch, dass sie anderen helfen und sich so unverzichtbar fühlen. Sie wollen gebraucht werden und ziehen damit Menschen in der Opferrolle an.

Weil ihr Selbstwert davon abhängt, kann der Drang zum Helfen dazu führen, dass sie mehr beim anderen als bei sich selbst sind und ihre Selbstfürsorge vernachlässigen. Manchmal entsteht dann auch die (heimliche) Erwartung auf eine Gegenleistung.

Das Retten kann also manipulativ sein und unterscheidet sich damit von unserem natürlichen Impuls, anderen zu helfen. Weil der Retter seinen Selbstwert über das Helfen stärkt, braucht er ein hilfsbedürftiges Gegenüber.

Ein gesunder Impuls zu helfen hingegen geschieht in Wertschätzung des Gegenübers, nach Absprache und ohne Selbstausbeutung. Mit anderen Worten: in Achtung für die Grenzen von sich selbst und der anderen Person.

Welche Rolle nimmst Du intuitiv ein?

Nun hast du mehr über die einzelnen Rollen erfahren. Gibt es eine Rolle, in der du dich häufiger wiederfindest? Mit welcher Rolle steigst du häufig in Beziehungen ein? Was hilft dir, aus der Rolle auszusteigen? Erkennst du vielleicht Unterschiede in verschiedenen Beziehungen?

Beziehungsdynamik in verschiedenen Maßstäben

Nicht nur zwischen Einzelpersonen kannst du die Dynamik des Dramadreiecks beobachten. In unserem inneren System wird sie durch die Beziehung innerer Anteile untereinander spürbar. 

Sie kann sich auch in größerem Maßstab zeigen. Beispielsweise in Unternehmen, wenn eine gut funktionierende Abteilung die Defizite einer anderen ausgleicht. Es können auch ganze Familienzweige in die Drama-Dynamik eintauchen. Selbst in der globalen Politik ist dieses Phänomen zu beobachten. 

Doch Veränderung beginnt bei jeder einzelnen Person. Insofern möchte ich an dieser Stelle allen Menschen meinen herzlichen Dank aussprechen, die sich an die innere Arbeit machen und aus ihren Autopiloten aussteigen wollen.

Jeder einzelne Mensch, der seinen inneren Frieden kultiviert und aus seiner ursprünglichen Kraft statt aus seiner Rolle handelt, deeskaliert auch seine Beziehungen und verändert damit das kollektive Feld.

Das trägt dazu bei, dass weniger psychologische Spiele gespielt und mehr wahrhaftige Begegnungen möglich werden.

Dramadreieck und Trauma

Menschen, welche die Folgen ihrer Traumatisierung noch nicht integriert haben, sind häufig schneller aktiviert. Das heißt, sie fühlen sich schneller bedroht und nehmen Äußerungen oder Verhaltensweisen schneller persönlich. 

Auch das oft große Bedürfnis nach Sicherheit und liebevoller Zuwendung ist bei vielen Menschen mit Traumahintergrund stark vorhanden. Wird es aufs Gegenüber projiziert und dann nicht erfüllt, können Wut und Enttäuschung die Folge sein.

Wenn die Aktvierung hoch ist, gehen Menschen eher in ihre gewohnten Rollen und sind auch eher damit identifiziert.

Wenn du jedoch die Mechanismen verstehst und lernst, sie frühzeitig zu erkennen, ist es leichter, Rollenkonflikte zu verhindern oder aus dem Drama auszusteigen.

Denn solange alle Beteiligten in ihren Rollen sind, ist eine Lösung des Konfliktes schwierig und innerhalb der Beziehung manchmal nicht möglich.

Wenn die Rollen wechseln

Die Dynamik des Dramadreiecks nimmt Fahrt auf, wenn die Beteiligten die Rollen neu bewerten. Denn die Rollenzuschreibungen werden irgendwann zu eng.

Bleiben wir bei unserem Beispiel. Nach einiger Zeit kann die hilfebedürftige Person (das Opfer) die Hilfsangebote des Retters als einengend oder grenzüberschreitend wahrnehmen. Sie fühlt sich nun nicht mehr befürsorgt, sondern bevormundet – und damit nicht besonders wohl.

Damit wird der Retter in ihren Augen zum Täter und fällt möglicherweise aus allen Wolken, wenn sein Hilfsangebot nicht mehr geschätzt wird und als übergriffig gilt. Das Opfer wechselt in die Täterrolle.

Wenn der Retter in die Defensive geht, ist er nun selbst in der Opferrolle. Macht der Retter dem Opfer aber Vorwürfe, wechselt er in die Täterrolle, damit das Opfer wieder in seine ursprüngliche Rolle geht.

Die Rollen können also von einem Moment zum nächsten wechseln, und die gesamte Beziehungsdynamik ändert sich. Diese Rollenumkehr kann mit heftigen Verletzungen einhergehen.

Das „gute“ Opfer und der „böse“ Retter?

Häufig hat das auch damit zu tun, dass das Opfer, wenn es sich gegen den Retter wendet, keine Verantwortung für das eigene Verhalten (Passivität, Nicht-Handeln) übernimmt. Es hat ja nichts getan, aber der Retter hat aus seiner Sicht falsch gehandelt. Das Opfer fühlt sich im Recht, wodurch es sein eigenes Verhalten weder reflektieren noch verändern kann.

Wer das vorwurfsvolle und verletzende Verhalten des Opfers anspricht, wird von ihm häufig als bedrohlich oder gefühllos empfunden. Die Täterenergie in seinem eigenen Verhalten ist dem Menschen in der Opferrolle oft nicht bewusst, denn er fühlt sich ja hilfsbedürftig und bedroht.

Auch wenn es sich nicht so anfühlt: Durch sein Verharren in der Ohnmacht und die passiv-vorwürfliche Haltung bekommt das Opfer große Macht in der Beziehungsdynamik.

Das Aufrechterhalten der Dramadynamik kann damit sehr destruktive Züge annehmen. Wird die Verstrickung nicht aufgelöst, können die Rollen und die Schuldzuweisungen lange Zeit hin und her wechseln – ohne Ausweg. Das kann sehr zermürbend sein.

Rollenwechsel in gewaltvollen Beziehungen

Auch in Beziehungen, in denen eine Person zu Wut- oder Gewaltausbrüchen neigt, sind Dramadreieck und Rollenwechsel gut zu beobachten.

Wenn eine Person (verbal oder körperlich) ausrastet, also in die Täterrolle geht, fühlt sie sich danach oft schuldig. Wenn sie bereut, was sie getan hat, löst das beim Opfer oft Hoffnung aus. 

Das Opfer glaubt, dass der Täter sich ändert, wenn er (oder sie) nur genug Liebe und Zuwendung von ihm bekommt. So wird das Opfer zum Retter, und dieser wechselt – zumindest zeitweilig – in die Opferrolle.

Das Perfide an diesem Rollenwechsel ist, dass der Täter nicht in die Verantwortung für sein Handeln geht, weil es keine Konsequenzen mit sich bringt. 

Und das Opfer muss sich nicht mit dem Schmerz über das Erlebte auseinandersetzen, wenn es zum Retter wird. In der neuen Rolle ist es handlungsfähig– zumindest vorübergehend. Aber geht es auch nicht in die Eigenverantwortung für sein Verharren in der potenziellen Gewaltsituation und nährt sich aus seiner (toxischen) Hoffnung – bis zum nächsten Gewaltausbruch.

Auf diese Weise wird ein leidvoller Kreislauf aufrechterhalten, der mit einer hohen Ladung im Nervensystem einhergeht. Das fühlt sich dann an wie himmelhochjauzend – zu Tode betrübt – aber nie tief entspannt.

Der Weg aus dem Dramadreieck

Um die Dramadynamik aufzulösen, müssen alle Beteiligten ihr Verhalten in den Rollen reflektieren und die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen

Denn solange einzelne Beteiligte in ihren Rollen sind, ist eine Lösung des Konfliktes schwierig und innerhalb der Beziehung manchmal unmöglich. Oft sind schmerzhafte Trennungen die Folge.

Wenn du jedoch die Mechanismen verstehst und lernst, sie rechtzeitig zu erkennen, ist es leichter, Rollenkonflikte zu verhindern oder früh aus dem Drama auszusteigen.

Wichtig dabei ist es, einen inneren Beobachter zu etablieren und mit einer gewissen Distanz das eigene Verhalten zu reflektieren. Auch die Emotionsregulation ist wesentlich, um nicht immer wieder automatisch in die Rollen zu gehen.

Oft ist dazu eine kompetente außenstehende Person sehr hilfreich. Gerade wenn die Situation sehr geladen ist, kann es schwierig werden, ohne Unterstützung von außen die Identifikation aufzugeben und aus den Rollen auszusteigen.

Wohin sich wenden in der Not?

Wenn sich in einer Beziehungsdynamik, gleich ob in der Familie, im Beruf etc. die Beteiligten im Kreis drehen und nicht mehr herausfinden, braucht es eine außenstehende Person (oder mehrere).  Sie hört den Personen zu und gibt ihnen Unterstützung, ihr Verhalten innerhalb der Dynamik zu reflektieren und Schritte der Veränderung zu gehen.

Dies können wertschätzende und mitfühlende Menschen aus dem näheren oder weiteren Umfeld sein, die nicht in die Dynamik involviert sind. Beratende oder therapeutische Angebote werden meist nur dann in Anspruch genommen, wenn diese Art der Unterstützung nicht (ausreichend) verfügbar ist.

Manchmal ist es jedoch schwierig, diese Menschen im eigenen Umfeld zu finden.

Stumme Zeugen

Es kann sein, dass Menschen in der näheren Umgebung zwar um die Drama-Dynamik wissen, aber nicht einschreiten. Entweder sind sie gleichgültig und wenden sich ab, spielen das Erlebte herunter oder leugnen die Drama-Dynamik und ihre Brisanz.

Hier möchte ich betonen, dass dies nicht aus bösem Willen geschieht. Häufig haben Menschen, die stumme Zeugen werden, selbst eine nicht integrierte Traumageschichte, die mit Erstarrung und Ohnmacht einhergeht.

Dennoch ist ihr Beitrag zur Beziehungs- und Traumadynamik so gravierend, dass ich noch einen ausführlichen Blogartikel über stumme Zeugen und die Macht des Schweigens schreiben werde.

Stumme Zeugen können die schweigenden Zuschauer in der U-Bahn sein, die nicht einschreiten, wenn abwertende Kommentare fallen. Auch die Kolleginnen und Vorgesetzten, die bei Mobbing nicht helfen, obwohl sie darum wissen. Oder ein Elternteil wendet sich ab, obwohl er mitbekommt, dass der andere Elternteil emotionale oder körperliche Grenzen des Kindes verletzt.

Der Einfluss der stummen Zeugen

Damit wird es für die Opfer schwieriger, ihrem ursprünglichen Bindungsinstinkt zu folgen und sich in der Not an ihre Mitmenschen zu wenden. Das bedeutet, es gibt keine Co-Regulation in einer belastenden Situation. Dadurch wird das Nervensystem stark aktiviert.

Die Täter werden so direkt oder indirekt bestätigt. All das sind Faktoren, die zur Entstehung von Traumafolgen beitragen können. 

Die stummen Zeugen sind also nicht direkt in das Drama involviert, tragen aber indirekt zu dessen Erhaltung bei, indem sie den Rahmen dafür halten – so dass die Dynamik unverändert weitergeht.

Weil sich diese Konstellation besonders auf die Entwicklungs- und Heilungsmöglichkeiten von Kindern auswirkt, werden die stummen Zeugen in der Traumapädagogik als Teil des Systems betrachtet. Lydia Hantke & Hans-Joachim Görges beschreiben dieses Phänomen in ihrem Traumaviereck.

Was gilt es zu lernen?

Wie wir gesehen haben, kann es sehr schwierig sein, sich ohne Unterstützung von außen aus der Drama-Dynamik zu befreien. Besonders, wenn die Beteiligten Traumafolgen tragen, haben sie das Gefühl, es geht um Leben und Tod. Das rechtfertigt in ihren Augen den Kampf um die eigene Position.

Was es braucht, ist die Fähigkeit, einen Schritt zurückzutreten und das eigene Handeln zu betrachten, ohne sich von den Handlungsimpulsen vereinnahmen zu lassen. Es gilt auch hier, eine Pause zwischen Reiz und Reaktion zu schaffen, die dann andere Handlungsmöglichkeiten eröffnet.

Auch für Therapeuten kann es schwierig werden, in der Arbeit mit einer massiven Täter-Opfer-Dynamik neutral zu bleiben und sich nicht durch Übertragungsphänomene involvieren zu lassen. Hier hilft der Blick von außen in der Supervision, die eigene Neutralität wiederzufinden.

Entwicklungspotenzial für Täter

Wenn du eher die Täterrolle einnimmst, gilt es zu lernen, die Verantwortung für dein Handeln und damit für deinen Beitrag am Drama zu übernehmen

Wenn du lernst, dem anderen nicht automatisch die Schuld für dein Handeln zu geben, sondern versuchst, dich einzufühlen, kann das sehr hilfreich sein. Einen Augenblick innezuhalten und dein Verhalten durch die Augen der anderen Person zu sehen, kann euren Kontakt verändern.

Lernaufgaben für Opfer

Wenn du dich häufig in der Opferrolle wiederfindest, ist es wichtig, deinen Anteil an der Dynamik mitzubekommen. Wie handelst du (oder auch nicht) in bestimmten Situationen? Und wo gibst du Verantwortung und Schuld an andere ab? 

Hier gilt es, aus der Passivität ins Handeln zu kommen und dein Leben zu gestalten, statt auf andere zu reagieren. Dazu gehört auch, um Unterstützung zu bitten, wenn du etwas brauchst, anstatt auf Erlösung von außen zu warten.

Du bist nicht schuld an dem, was dir früher widerfahren ist. Doch du bist der einzige Mensch, der jetzt dein Leben führen und gestalten kann – und damit etwas verändert. So gelingt es dir, die Verantwortung für dein Handeln zu übernehmen

Gerade wenn in den frühen Jahren vieles unerfüllt geblieben ist, kann es schwierig sein, die Identifikation mit der Opferrolle aufzugeben – und damit auch das Gefühl, man hätte von der Welt noch etwas zu bekommen. 

Das zu erkennen, kann sehr schmerzhaft sein. Doch der Lohn besteht in dem Gefühl von Selbstermächtigung, wenn du dein Leben in die Hand nimmst.

Was Retter lernen können

Für Menschen, die sich häufig in der Rolle des Retters finden, gilt es, mehr bei sich selbst anzukommen. So können sie ihr Selbstgefühl und ihren Selbstwert stärken. Damit eröffnen sich oft andere Wege, Bestätigung und Sinnhaftigkeit zu finden. 

Die Frage „Worin finde ich Bestätigung, wenn ich nicht für andere da bin?“ kann helfen, hier Klarheit zu gewinnen. Sie ist auch wichtig für die Selbstfürsorge.

Mit mehr Selbst(wert)gefühl ist es auch nicht mehr so wichtig, gebraucht zu werden. Das nimmt dann den Druck aus ihren Hilfsangeboten. So wird es leichter für sie, die Grenzen der anderen zu achten, anstatt sie abzuwerten, damit sie sich mit ihrem Hilfsangebot aufwerten können.

Wenn sie nachfragen können, wo Hilfe gebraucht wird, und erst handeln, wenn Bedarf signalisiert wird, lassen sie ihr Gegenüber auch auf Augenhöhe, was die Dynamik entspannt.

Und die stummen Zeugen?

Wenn du dich unwohl fühlst, weil es dir immer wieder misslingt, in schwierigen Situationen einzugreifen, ist es hilfreich, mit deiner inneren Kraft in Kontakt zu kommen. Dann kann du Mut fassen und aus der Erstarrung in eine Handlungsfähigkeit kommen.

Den inneren Beobachter stärken

Weil alle dieser Rollen emotional sehr geladen sein können, ist es grundsätzlich wichtig, eine neutrale Position oder Meta-Perspektive zu etablieren. Wenn du lernst, deine Emotionen besser zu regulieren, fällst du weniger ins gewohnte Rollenverhalten und kannst neue Handlungsspielräume entdecken. 

Je besser du bei dir bleiben kannst und aus einer erwachsenen Position heraus handelst, desto weniger Drama-Dynamik kann sich entwickeln.

Wie du siehst, kann das Dramadreieck helfen, Beziehungsdynamiken in allen Lebensbereichen wahrzunehmen und aus alten Rollen auszusteigen. Vielleicht erkennst du dich in der einen oder anderen Rolle wieder und möchtest etwas verändern, etwas Neues wagen? Dann schau dir gerne meine Angebote an.

Ich stehe dir gerne als neutrale Person zur Verfügung. Wenn du Interesse hast, von mir eine Weile begleitet zu werden, vereinbare ein kostenloses telefonisches Erstgespräch.

Bildnachweis
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